Rechtsfragen zu Reisen & Corona
Anbei die wichtigsten Informationen zu bereits gebuchten Reisen und Stornierungen:
Zeitpunkt der Reise und der Stornierung
Für unmittelbar bevorstehende Reisen besteht in der Praxis in meisten Fällen Einigkeit, dass diese wegen Corona-Virus bedingter Gesundheitsgefahren und Reisebeschränkungen kostenlos storniert werden können. Die meisten aktuellen Anfragen betreffen demnach Reisen, die erst in mehreren Wochen oder Monaten stattfinden sollten. Je weiter man vom Reisetermin entfernt ist, z. B. bei Reisen im Sommer, umso schwieriger ist die Einschätzung, da derzeit niemand mit Sicherheit vorhersagen kann, wie sich die Lage bis dahin tatsächlich entwickelt.
Wann kann man stornieren?
Für das Recht zur kostenlosen Stornierung ist der Zeitpunkt entscheidend, d. h. es müssen zu diesem Zeitpunkt konkrete Gefahren ersichtlich sein. Dies kann sich aufgrund von Reisewarnungen ergeben, dies ist aber nicht zwingend erforderlich, sondern auch andere seriöse objektive Berichte und Einschätzungen von Gefahren, Einschränkungen der Infrastruktur im Urlaubsland und persönliche Bewegungseinschränkungen (Einreiseverbote oder Auflagen) sind zu beachten. Dies gilt für Pauschalreisen wie für Einzelbuchungen.
Stornierungsgründe
Zunächst sind innereuropäische Bewegungsbeschränkungen wie Einreiseverbote diverser Staaten, Einschränkungen innerhalb der Staaten selbst bis hin zu Ausgehsperren (z. B. Italien, Spanien, Österreich) relevant. Zudem sind seit 16.3. Einreisen in die EU ausgesetzt, zunächst für 30 Tage. Es kann aktuell etwa nicht abgesehen werden, ob und wie inner- oder außereuropäische Reisen (etwa nach Ägypten, Türkei, USA) in wenigen Wochen, z. B. in den Osterferien, durchgeführt werden können.
Und selbst wenn die Reisen tatsächlich durchgeführt werden könnten, sind vorläufig erhebliche persönliche Risiken damit verbunden, selbst zu erkranken und/oder zumindest unter Quarantäne gestellt zu werden, wenn ein anderer Reisender im gleichen Hotel oder Flugzeug erkrankt. Führt dies zu einer Verlängerung des Aufenthalts am Urlaubsort oder in ärztlicher Betreuung, haben die Reisenden Zusatzkosten zu tragen.
Bei Pauschalreisen zahlt der Veranstalter bis zu drei zusätzliche Nächte des Aufenthalts, den Rest müssen Konsumenten selbst bezahlen.
Individualreisende haben den ganzen zusätzlichen Aufenthalt zu bezahlen.
Medizinische Versorgung ist immer selbst zu tragen. Teilweise decken Versicherungen diese Risiken, achten Sie auf die Leistungen in den Polizzen. Hinzu kommen dann allfällige Probleme am Arbeitsplatz wegen längerer Abwesenheit. Zusammenfassend sind also erhebliche Risiken auf mehreren Ebenen zu beachten.
Wenn man mittelfristig gebuchte Reisen nicht abwarten und sofort Planungs-Sicherheit schaffen möchte, kann man Reisen mit Antritt ab spätem Frühling / frühem Sommer dennoch stornieren und die derzeit noch geringe Stornogebühr, meist 10 bis 20 % des gesamten Reisepreises, zahlen. Wenn man länger zuwartet, verbessert sich die Informationslage und damit die Möglichkeit, wegen einer sich ganz konkret abzeichnenden Gefahrenlage kostenlos zu stornieren, andererseits steigt der „Streitwert“ durch die zunehmend zum Reisedatum steigenden Stornogebühren. Beide Optionen haben also Vor- und Nachteile. Ein „Ausweg“ und Kompromiss könnte sein, dem Veranstalter / Hotel / Airline eine Umbuchung vorzuschlagen. Viele, aber leider nicht alle Unternehmen bieten das schon an.
Wichtige Unterscheidungen zwischen Pauschalreisen und Individualbuchungen
Pauschalreisen
Pauschalreisen sind wesentlich einfacher als Einzelbuchungen zu behandeln, denn alle inkludierten Leistungen wie Flug, Hotel usw. bilden eine Einheit. Man hat nur einen Vertragspartner für alle Leistungen, Rechtsstreitigkeiten kann man an einem Gerichtsstand in Österreich austragen.
Das Recht zur kostenlosen Stornierung bei außergewöhnlichen Umständen wie der aktuellen Lage ist seit 1.7.2018 klar gesetzlich in § 10 Abs 2 Pauschalreisegesetz geregelt, „wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen“. (In der gesamten EU gelten entsprechende Bestimmungen, da diese Regelung auf die Pauschalreise-Richtlinie zurückgeht.)
Tritt der Reisende nach diesem Absatz vom Pauschalreisevertrag zurück, so hat er Anspruch auf volle Erstattung aller für die Pauschalreise getätigten Zahlungen, nicht aber auf eine zusätzliche Entschädigung.
Wenn die Pauschalreise in Österreich beginnt, gelten auch alle Reisebeschränkungen in und aus Österreich als Stornierungsgrund.
Individualbuchungen (Nur-Flug-Ticket, Nur-Hotel-Buchung)
Es zählen Reisesegmente:
Auch wenn für Konsumenten die Buchung mehrerer Einzelleistungen für den Zweck derselben Reise natürlich als „Einheit“ zählt, ist wichtig zu wissen, dass es das rechtlich nicht ist. Vielmehr ist jedes Reisesegment separat für sich zu beurteilen. Das bedeutet, dass man im rechtlichen Sinn selbst verantwortlich ist, sich am jeweiligen Start/Check-In einzufinden, der Vertragspartner muss nur die Leistung an/ab diesem Ort zur Verfügung stellen, z. B. Flug ab Airport München, Hotelunterbringung in London usw.
Die meisten aktuellen Anfragen betreffen Leistungen, die nicht in Österreich beginnen. Ist man von Bewegungsbeschränkungen/Reiseverboten in Österreich betroffen und kann nicht zum Flughafen München, Hotel in London usw. anreisen, ist dies für sich noch kein tauglicher Stornierungsgrund. Selbstverständlich können Gesundheitsgefahren und Reise-Beschränkungen im Zielland Stornierungsgründe sein. Durch die getrennte Beurteilung einzelner Segmente ist die Prüfung aber schwieriger.
Anwendbares Recht und Gerichtstand
Hat der Vertragspartner seinen Sitz in Österreich, ist die Beurteilung aufgrund der Anwendbarkeit österreichischen Rechts und hiesiger Rechtsprechung noch relativ leicht. Es gibt keinen spezifischen Storno-Paragraphen, die Stornierung kann auf allgemeine zivilrechtliche Bestimmungen gestützt werden, es liegt etwa umfangreiche Rechtsprechung des OGH etwa zum „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ vor, wonach in absehbarer Zeit in vielen Fällen (abhängig vom Reisezeitpunt und der Berechenbarkeit für diesen Zeitraum) eine kostenlose Stornierung wegen des Corona-Virus und seiner Folgen möglich ist.
Die weit meisten Reiseanfragen betreffen aber grenzüberschreitende Buchungen (man hat einen Wohnsitz in Österreich und bucht von hier aus bei einem Unternehmen mit Sitz im Ausland). Die europäischen kollisionsrechtlichen Normen für grenzüberschreitende Verträge regeln, dass bei Flügen das Recht jenes Landes gilt, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, wenn sie dieses Recht in den AGB für anwendbar erklärt (das ist der Regelfall). Für Hotelbuchungen im Ausland gilt das Recht des Staates in dem sich das Hotel befindet. Für Streitigkeiten besteht ein Gerichtsstand im jeweiligen Sitz-Staat der Airline bzw. dem Reiseland, in dem sich das Hotel befindet. Die rechtliche Beurteilung, ob ein Stornierungsgrund vorliegt, ist also nicht nach österreichischem Recht vorzunehmen und muss im Streitfall in der Regel an einem Gericht im Ausland ausgetragen werden. Das bedeutet z.B. für ein Ticket bei einer deutschen Airline deutsches Recht und Gerichtstand, für ein Hotel in London englisches Recht und Gerichtsstand.
Wenn Leistungen nicht erbracht werden, weil die Unternehmen stornieren
Werden Pauschalreisen oder Flüge gar nicht durchgeführt, was derzeit vermehrt der Fall ist, erhalten Kunden Ihre Kosten zurück. Pauschalreisende erhalten also den gesamten Reisepreis zurück, Individualreisende das Entgelt für das vom Unternehmen jeweils stornierte Segment. Bei Flugtickets ist dies der Preis des jeweiligen Fluges, bei einheitlich gebuchten Anschlussflügen bzw. Hin- und Rückflügen auch die Entgelte für alle diese Flugsegmente. Gleiches gilt für Hotelaufenthalte, die etwa wegen behördlicher Schließung nicht mehr möglich sind.
Es handelt sich immer um einen Fall der „Leistungsunmöglichkeit“. Diese geht natürlich nicht auf ein Verschulden der Reise- oder Transportunternehmen zurück, sondern auf höhere Gewalt, dafür haben die Reiseunternehmen gerade zu stehen, die Unmöglichkeit liegt in ihrer „rechtlichen Sphäre“ und nicht in der Sphäre der Reisenden. Auf der anderen Seite ist dies natürlich eine enorme Belastung für Unternehmen, wobei staatliche Unterstützung für Reiseunternehmen bereits angelaufen ist.
In der Praxis wird von einzelnen Unternehmen behauptet, wegen höherer Gewalt kein Entgelt zurückzahlen zu müssen. Das ist aus den oben genannten Gründen falsch, soweit österreichisches Recht und EU-Verordnungen anwendbar sind.
Viele weitere Infos, die laufend aktualisiert werden, finden Sie auf http://www2.oeaab-sbg.at/